Dr. Roland Forster

Kurz & Bündig

Raschelt da Papier? – oder sind Sie das?

Wie funktioniert eine Phrasendreschmaschine? Ganz einfach: Sie bedient sich der Wörter, die im Gehirnkastel eines Sprechers (weibliche Formen immer mitgedacht) vorhanden sind, und designed daraus immer gleiche Formulierungen, die drei Dinge auszeichnen: nicht reflektiert / nicht persönlich / nicht an Situation angepasst.
Beispiele gefällig? Hier sind sie:
- Der CEO eines Unternehmens mit fast 5000 Mitarbeitenden beginnt seine Rede auf der Jahresend- und Weihnachtsversammlung so: „Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ich darf Sie begrüßen …“ – Ja, wer ist das denn? Wenn schon der oberste Chef so formuliert, was bleibt dann noch an sich-selbst-kleinmachenden Formulierungen für seine Stellvertreter und die Abteilungsleiter?

- In der Politik: Der Präsident einer bedeutenden parlamentarischen Institution eines Bundeslandes startet so: „Bitte erlauben Sie mir, Ihnen ein paar Punkte zu nennen, mit denen ich … beleuchten will.“ – Dazu schreibt Stefan Wachtel von der „Flughöhe“ (2017), die sofort mit dem Griff in die Kiste, in der die Wörter herumliegen, festgelegt wird; schwer, da noch mal rauszukommen. Bezogen auf diesen sehr bildhaften Begriff sind die Produzenten der o.a. Äußerungen eher mit einem Tretroller unterwegs.

Ich sag‘ mal…“ in jedem zweiten Satz nervt, hier rattert die Phrasendreschmaschine, und wir müssen es als Zuhörer aushalten. Gravierender noch ist: „Ich sage Ihnen ganz klar…“ – eine unsinnige Formulierung! Ob etwas klar ist, entscheiden wir, die Zuhörer; der Redner kann nur möglichst klar formulieren – und hoffen!

Die Maschine liefert auch die beliebten Begrüßungsbandwürmer: „Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister“ – Applaus – „Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin“ – Applaus – „Sehr geehrte Landtagsabgeordnete“ – Applaus – „Lieber Hausmeister“ usw. – Dauer: gefühlt drei Stunden, Reaktion des Publikums: äußerst genervt, und das mit Recht! Besser: pauschal begrüßen. Geht nicht? Dann alle Namen nennen, und erst am Ende wird applaudiert, kurz, aber herzlich; das aber vorher kommunizieren.

Meine Damen und Herren, liebe Genossinnen und Genossen…“, und das alle zwei Minuten, weil das Redemanuskript (=schriftliche Kommunikation) das so haben will, zu Beginn jeden Abschnitts. Kaum zum Aushalten, einfache Lösung: weglassen! Danke!

Solche Texte werden häufig von Referenten und Redenschreibern vorgefertigt, während der Anfahrt oder noch schnell auf dem Parkplatz überflogen, mehr Zeit ist oft nicht. Schade, verpasste Chancen! – Vorschlag: Kommunikationssituation analysieren, Akteure einschätzen, auf den ganz individuellen, lebendigen Wortschatz zurückgreifen, und los! Dann entsteht etwas Gemeinsames wie: „Und jetzt sage ich Ihnen etwas, was mich ungemein erschüttert hat…“. Das bringt Ihnen die Aufmerksamkeit, die Sie haben wollen, persönlich wird es auch, sehr klar, und metakommunikativ. – Ich werde zuhören, versprochen!

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